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15. Mai 1948. Angriff der arabischen Staaten

„Die Unterlegenheit der Haganah an kämpfenden Männern und Frauen und bei Bewaffnung war evident“ 

[zweite Spalte, unten]

Wieder einmal wird versucht, einen immer wieder erzählten „David gegen Goliath“-Mythos zu verbreiten. Ohne Quellenangabe und ohne Erklärung wird er konsequent wiedergekäut. Wir werden hier zeigen, wie falsch und unbegründet diese Behauptung ist. Lesen wir zuerst die Statistik aus den Kriegstagebüchern David Ben-Gurions, Kriegsminister des neuen Staates Israel und später Premierminister. Er wies darauf hin, dass die Stärke der neuen israelischen Streitkräfte am Anfang des Krieges 29.677 erreichte. Sechs Monate später ist die Stärke auf 108.300 angestiegen − mehr als verdreifacht [1]. Die Gesamtstärke der arabischen Kräfte betrug anfänglich bis zu 30.000 und bei Kriegsende ca. 68.000 [2]

Offensichtlich war die Unterlegenheit der Haganah für den Kriegsminister nicht evident.

Nicht nur wir, sondern auch mehrere zionistische Historiker und Organisationen teilen unsere Meinung, dass der Yishuv ( später der Staat Israel) deutlich überlegen gewesen ist. Die Online Enzyklopädie, The Jewish Virtual Library, schreibt dazu:

Bis der britische Rückzug mit der Evakuierung der sechsten Luftlandedivision im April 1948 in seine wesentliche Phase eintrat, konnte keine Seite mehr Territorium gewinnen....

Während dieser Zeit verwandelte sich die wichtigste jüdische paramilitärische Organisation (die Haganah) von einer territorialen Miliz in eine reguläre Armee auf der Grundlage der Wehrpflicht. Gleichzeitig entwickelten sich die autonomen jüdischen nationalen Institutionen, die während der Mandatszeit  als „Staat im Entstehen“ existierten, zu einer unabhängigen und souveränen Regierung, die die Kriegsanstrengungen des Yishuv kontrollierte.

Die palästinensische Gesellschaft blieb zurück. Ohne den Unterschied zwischen antikolonialem Aufstand und einem nationalen Krieg zu kennen, zogen es die palästinensischen Führer vor, den Kampf aus sicherem Asyl im Ausland zu führen, wie sie es während ihrer Rebellion gegen die Briten in den Jahren 1936-1939 getan hatten. Es gelang den Palästinensern nicht, zentrale politische, finanzielle und militärische Einrichtungen für die Durchführung eines Krieges zu schaffen. Dieses Versagen der zentralen Führung führte zu einer raschen Verschlechterung der lokalen Institutionen und schließlich zu Anarchie. Die Arabische Liga trug zum Chaos bei, indem sie nicht in der Lage war, die politische Zukunft des arabischen Palästina zu bestimmen oder die Palästinenser ihr Schicksal selbst gestalten zu lassen [3].

„Lediglich 18.000 Freiwillige mit Waffen inklusiv Frauen und Jugendlichen…“

[erste Spalte, erster Absatz]

Nach Angaben des Premierministers betrug die Stärke der neuen israelischen Streitkräfte zunächst 29.677; das was auf der Tafel behauptet wird, nämlich 18.000, stimmt also nicht. Aber wie sieht es mit der Ausrüstung aus?

Für eine ausführlichere Beschreibung der Ausrüstung des Yishuv, siehe unsere Anmerkungen zur Tafel : 1947 „ Angriff der arabisch-palästinensischen Milizen“,  Seite 2: BEWAFFNUNG DER JÜDISCHEN „VERTEIDIGER. Hier ein kurzer Auszug:

[Über sechs Monate vor Kriegsanfang schickte die Haganah] Agenten nach Europa und in die Vereinigten Staaten, um ihre Miliz zu einer vollwertigen Armee zu entwickeln. Golda Meir organisierte schon 1947 in Erwartung der Feindseligkeiten eine Spendenaktion und bis Ende 1947 gelang es ihr, allein in den Vereinigten Staaten 25 Millionen Dollar zu sammeln. Von den 129 Millionen US-Dollar, die zwischen Oktober 1947 und März 1949 für die zionistische Sache gesammelt wurden, wurden über 78 Millionen Dollar (ca. 2 Milliarden Dollar heutzutage) für den Kauf von Waffen und Munition verwendet[4].

Der Yishuv kaufte Gewehre, Maschinengewehre und Munition aus der Tschechoslowakei[5], die nun zum Ostblock gehörte. Sie wurden hauptsächlich nach der Aufhebung der britischen Marineblockade am 15. Mai 1948 geliefert. Die Zionisten erhielten aus der Tschechoslowakei auch Kampfflugzeuge der Marke Avia S-199 und später während des Konflikts Spitfires.Eine große Menge Waffen, inklusive Panzer, Maschinengewehre, Mörser und Granaten, und auch ganze Produktionsanlagen wurden angeschafft[6],[7]

Ben-Gurion drückte sich damals so aus:

 „Nachdem wir eine kleine Menge der [tschechischen] Ausrüstung erhalten haben“. .. „die Situation ist radikal anders zu unseren Gunsten.“ „Zweifellos sollte von allen Sendungen, die später den Yishuv erreichten, keine größere unmittelbare Auswirkung oder historische Bedeutung haben.“ [8].

In den Lagerbeständen aus dem Zweiten Weltkrieg beschaffte der Yishuv alle notwendigen Ausrüstungen, Fahrzeuge und Logistik für eine Armee. In Frankreich beschaffte er trotz des anhaltenden Embargos [9] gepanzerte Fahrzeuge. Die Zionisten kauften Maschinen zur Herstellung von Waffen und Munition und bildeten damit die Grundlage für die israelische Rüstungsindustrie [10]. Laut dem israelischen Journalisten und Historiker Meir Zamir [11] war die heimliche französische Hilfe von große Bedeutung[12].

Professor für internationale Beziehungen, Dr Avi Shlaim, Fellow am St. Anthony College, Oxford Universität und Fellow der britische Akademie, hat die Kriegsverhältnissen genauer unter die Lupe genommen und mehrere zuverlässige Quellen analysiert. Er kam zum Ergebnis, dass

Mitte Mai 1948 lag die Gesamtzahl der arabischen Truppen, sowohl der regulären als auch der irregulären, die im palästinensischen Gebiet operierten, unter 25.000, während die israelischen Verteidigungskräfte über 35.000 Mann verfügten. Mitte Juli mobilisierte die IDF 65.000 Mann unter Waffen, und im Dezember erreichte ihre Zahl einen Höchststand von 96.441. ... Somit waren die IDF in jeder Phase des Krieges allen arabischen Streitkräften zahlenmäßig und nach der ersten Runde der Kämpfe auch waffentechnisch überlegen [13].

 

Wir skizzieren im folgenden Teil vorübergehend die Lage bei nur zwei wichtigen Kriegsteilnehmern, Transjordanien und Ägypten. Eine ausführliche Beschreibung erscheint im Januar 2019.

 

Transjordanien: Intimer Feind

Prof. Shlaim, schreibt in Collusion across the Jordan:

Die jordanische Streitkräfte hatten nicht vor, den im UN-Vorschlag für eine zionistische Ansiedlung vorgesehenen Teil Palästinas zu erobern. In einem geheimen Treffen am 7. Februar 1948 zwischen dem britischen Außenminister, Bevin und Abul-Huda, dem jordanischen Premierminister, gab Großbritannien Jordanien die Erlaubnis, die Arabische Legion (jordanische Armee) unmittelbar nach der britischen Abreise nach Palästina zu schicken. Bevin drohte jedoch, materielle Unterstützung und Personal zurückzuziehen, wenn Jordanien in die von der UNO den Juden zugewiesenen Gebiete eindringen würde. Bevin versuchte nicht, die Gründung des jüdischen Staates zu verhindern, er unterstützte lediglich die Vereinbarung zwischen König Abdullah und der Jewish Agency, Palästina unter sich aufzuteilen und die Palästinenser draußen in der Kälte zu lassen[14].

Diese Vereinbarung war das Ergebnis mehrerer Geheimtreffen zwischen hochrangigen Yishuv-Funktionären, wie Moshe Dayan oder Gold Meir und König Abdallah und führte zu einer nie niedergeschriebenen Vereinbarung:  Transjordanien soll die Westbank erobern und ein jüdischer Staat soll wie im UN-Teilungsvorschlag definierten Gebiet entstehen.

Es gab keine Vereinbarung über den Status Jerusalems oder über das Umland der Stadt. Hier lieferten sich beide Seiten mehrere bittere Kämpfe mit Kriegsverbrechen in Kafr Ezion und Deir Yassin. Das Ergebnis blieb aber teilweise wie vereinbart: Transjordanien bekam die Westbank; der israelische Staat wurde aber weit über das vom UN-Plan vorgeschlagene Territorium ausgedehnt. Seine Grenzen hat Israel nie definiert und der Staat dehnt sich bis heute weiter aus.

Ägypten: Schlecht ausgerüstet, schlecht koordiniert

 Helen Chapin Metz schreibt in Egypt, a Country Study:

 

Als der Krieg begann, war die ägyptische Armee schlecht vorbereitet und hatte keinen Plan für die Koordination mit den anderen arabischen Staaten. Obwohl es einzelne heroische Widerstandsaktionen gab, hat die Armee nicht gut abgeschnitten, und nichts konnte die Niederlage verbergen oder das intensive Gefühl der Scham mildern. Nach dem Krieg gab es Skandale wegen der minderwertigen Ausrüstung des Militärs, und dem König und der Regierung wurde vorgeworfen, die Armee verräterisch verlassen zu haben. Einer der Männer, die im Krieg dienten, war Gamal Abdul Nasser, der eine Armeeeinheit in Palästina kommandierte und verwundet wurde. Nasser war bestürzt über die Ineffizienz und mangelnde Vorbereitung der Armee. Im Kampf um die Negev-Wüste im Oktober 1948 wurden Nasser und seine Einheit in der Nähe von Beerscheba eingeschlossen. Die Einheit hielt durch und war schließlich in der Lage, zu kontern. Dieses Ereignis erlangte große Bedeutung für Nasser, der es als Symbol für die Entschlossenheit seines Landes sah, Ägypten von allen Formen der Unterdrückung nach innen und außen zu befreien. [15]

 

In einem Artikel The Balance of Power,  in der Jewish Virtual Library, wird das damalige Kräfteverhältnis folgendermaßen beschrieben:

Schon zu diesem Zeitpunkt waren die arabischen Expeditionskräfte und ihre lokalen Unterstützer den mobilisierten Arbeitskräften der Yishuvs quantitativ unterlegen. Während des Rests des Krieges blieben die Haganah / IDF qualitativ und quantitativ stärker. [16]

 

Zustand der arabischen Armeen

König Abdullah hatte immer die „arabische“ (im Unterschied zu transjordanisch) Schwäche anerkannt, und sein Sohn, Prinz Talal, sagte die Niederlage offen voraus. Im letzten Moment appellierten mehrere Führer  (darunter König Ibn Sa'ud und Azzam Pasha, Generalsekretär der Arabischen Liga) heimlich an die Briten, mindestens ein weiteres Jahr lang einige Truppen in Palästina einzusetzen, um die Katastrophe abzuwenden. Der ägyptische Außenminister Khashaba hatte dies bereits getan. Er „wünschte, sie würden bleiben, und schlug vor, dass es ihre Pflicht sei, dies zu tun.“ [17]

 

Im Grunde genommen hatte keiner der eindringenden arabischen Staaten das geringste Interesse an der Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates. Alle versuchten, ihre eigenen strategischen Ziele zu erreichen, und keiner koordinierte die wichtigsten Schritte mit anderen verbündeten Einheiten. Die zugesagte Hilfe kam fast zum Erliegen und Rivalitäten zwischen den Parteien führten bereits von Anfang des Krieges an zum Zerfall der „Koalition“. Der israelische Militärgeheimdienst war sich dieser Situation bewusst und konnte diese Spaltungen sehr effektiv ausnutzen[18]. Die Palästinenser wurden im Stich gelassen und unter dem Deckmantel der arabischen Solidarität, auf dem Altar fremden nationalen Interesses geopfert.

Mehr zur Stärke und Schwäche  der arabischen Kräfte folgt in einer weitere Ausgabe dieser Analyse.

 

Die erste Waffenstillstand

Laut dem zionistische Historiker Efraim Karsh, erzielten beide Seiten erhebliche Gewinne, und beide sahen die Notwendigkeit, das Erreichte zu konsolidieren. Ein erster Waffenstillstand wurde von den Vereinten Nationen ausgerufen. Er dauerte vom 11. Juni bis zum 8. Juli 1948. Während des Waffenstillstands versuchten die Israelis, ihre Streitkräfte durch den massiven Import von Waffen zu verstärken. [19]

Unter den israelischen Waffen waren nun zahlreiche Militärflugzeuge, inklusiv Spitfires, B-17 Fliegende Festungen, P-51 Mustangs, C-47 Dakotas und Avia S-199s. Die Avia S-199 Kampfflugzeuge, waren in der Tat deutsche Messerschmitt Bf 109 unter einem anderen Namen. Israelische Piloten nannten ihre Flugzeuge damals „Messerschmitts“. Yishuv-Agenten kauften dazu drei Boeing B-17 Flying Fortress Bomber, von denen einer im Juli 1948 Kairo bombardierte.

Dieser Waffenhandel fand hauptsächlich mit der Tschechoslowakei statt. Er war Teil der Operation Balak, benannt nach dem biblischen König der Moabiter (was bedeutet: „Wer einen Feind vernichtet“). Die kommunistische Regierung der Tschechoslowakei verkaufte die Waffen an Israel mit Zustimmung von Joseph Stalin, der für kurze Zeit dachte, Israel würde ein sozialistischer und antiimperialistischer Staat sein. Doch auch als sich die Lieferungen durch die Tschechoslowakei beschleunigten, kamen während der ersten Waffenpause - nachdem die Konfliktparteien sich verpflichtetet hatten keine zusätzlichen Waffen zu importieren - dennoch vollständig illegal, tausende von Waffen jeglicher Art an. Die Transaktion beinhaltete neben MG34 Mehrzweck-Maschinengewehren, auch tausende von Karabinern 98k Repetierbüchsen - die grundlegende Infanteriewaffe der nationalsozialistischen Wehrmacht. Die Haganah erwarb auch britische Sten-Maschinenpistolen und französische 65-Millimeter-Haubitzen.

Zwei Monate nach Kriegsanfang konnten die Israelis eine Luftwaffe, eine Marine und ein Panzerbataillon mithilfe ihrer Einkäufe aufbauen.

Die Größe der Haganah war nach der Vertreibung von mehr als 750.000 Palästinensern, bis zum Ende des Konflikts mit arabischen Staaten im Jahr 1949 auf 117.500 Mitglieder angewachsen.

David Ben-Gurion war zuversichtlich:

Wenn wir die Waffen, die wir bereits gekauft haben, rechtzeitig erhalten […] können wir uns nicht nur verteidigen, sondern auch den Syrern in ihrem einigen Land tödliche Schläge versetzen – und ganz Palästina einnehmen. Daran hege ich keinerlei Zweifel. Wir können es mit den gesamten arabischen Truppen aufnehmen. Das ist kein Wunderglaube, sondern kühle, nüchterne Berechnung aufgrund praktischer Untersuchungen.[20]

Der Mythos des kleinen Davids (Israel) gegen Goliath (die arabischen Nationen) hatte keine Rechtfertigung, wie Ben-Gurion zugab. Er wurde dennoch sorgfältig kultiviert und ist nach wie vor fester Bestandteil des israelischen Propaganda-Apparats.

Die ethnische Säuberung wird intensiviert

Laut Benny Morris waren jüdische Streitkräfte während des Krieges für 24 Massaker verantwortlich [21]. Aryeh Yizthaki bezeugt 10 große Massaker mit jeweils mehr als 50 Opfern[22].  Der palästinensische Forscher Salman Abu-Sitta zeichnet 33 auf, die Hälfte davon während des Kriegs[23]. Saleh Abdel Jawad hat 68 Dörfer aufgelistet, in denen wahllos Häftlinge und Zivilisten getötet wurden, die keine Bedrohung für jüdische oder israelische Soldaten darstellten[24].

Gegen Ende des Krieges, insbesondere während der Operation Hiram, verübten die israelischen Streitkräfte etwa 10 Massaker. Benny Morris und Yoav Gelber sind der Ansicht, dass mangelnde Disziplin die Ereignisse nicht erklären kann[25],[26]. Gelber weist auf die „brutalen Gefühle [der Soldaten] gegenüber den Palästinensern“ und die Tatsache hin, dass die Palästinenser nicht wie bei früheren Operationen geflohen sind.[27] Morris denkt, dass sie mit einer „allgemeinen Rachsucht und dem Wunsch der lokalen Befehlshaber, einen zivilen Exodus auszulösen,“ zusammenhängen[28].

Das Vermittlungskommission für das Technische Komitee Palästina der Vereinten Nationen, veröffentlichte in Juni 1949 einen Bericht über das Massaker in Al-Dawayima, (Dawaymeh) nahe Hebron:

Laut dem Dorfvorsteher, Hassan Mahmoud Ihdeib, näherten sich dem Dorf eine halbe Stunde nach dem Mittagsgebet drei Gruppen an Truppen aus Westen, Norden und Süden; 20 gepanzerte Wagen auf der Qubeiba-Dawaymeh-Straße, eine zweite Gruppe entlang der Beit Jibrin-Dawaymeh-Straße und weitere gepanzerte Wagen, die von Mafkhar-Dawaymeh kamen. Er erklärte, dass kein Aufruf zur Kapitulation angekündigt wurde und, dass kein Widerstand stattfand.  Der Beschuss begann in einer Entfernung von einem halben Kilometer, als die Truppen das Dorf nach und nach umzingelten.
Die israelischen Truppen feuerten mehr als eine Stunde lang wahllos, während dieser Zeit flohen viele, und zwei palästinensische Gruppen flüchteten in die Moschee und eine nahegelegene Höhle namens Irak El Zagh. Als sie am Tag mit anderen Dorfbewohnern zurückkehrten, wurden 60 Leichen, meist ältere Männer, in der Moschee gefunden. Auf den Straßen lagen zahlreiche Leichen von Männern, Frauen und Kindern. 80 Leichen von Männern, Frauen und Kindern wurden dann am Eingang der Höhle gefunden. Bei einer Zählung stellte sich heraus, dass 455 Personen vermisst wurden, 280 Männer und der Rest Frauen und Kinder.
[28]

Am 29. Oktober 1948, kurz nach Beginn des dritten vereinbarten Waffenstillstands, verübte die israelische Armee ein weiteres Massaker im Dorf Al-Dawayima, 18 km von Hebron entfernt. Laut Morris, zeigen die Geheimakten der Haganah, dass das Dorf als „sehr freundlich“ angesehen wurde[29]. Al-Dawayimas Kernklan, die Ahdibs, führten ihre Abstammung bis zur Eroberung Palästinas durch Umar Ibn Khattab im 7. Jahrhundert zurück.

In einem mit Empörung aufgenommenen Artikel , „Breaking the Silence after 68 years“  in Haaretz  (2016) schrieb der renommierte Historiker und Holocaust-Experte Yair Auron:

Ben-Gurion zitierte General Avner und verwies in seinem Kriegstagebuch kurz auf die „Gerüchte“, dass die Armee 70 bis 80 Personen abgeschlachtet habe: Eine Version des Geschehens wurde von einem israelischen Soldaten an ein Mapam-Mitglied weitergegeben, das die Informationen an Eliezer Peri, den Herausgeber der Parteizeitung Al HaMishmar und ein Mitglied des politischen Komitees der Partei, weitergab. Das Parteimitglied, Shabtai Kaplan, beschrieb die Zeugin als „eine von unserem Volk, eine Intellektuelle, die zu 100 Prozent zuverlässig ist“. Das Dorf, so schrieb Kaplan, sei von arabischen „Unregelmäßigen“ festgehalten worden und wurde vom 89. Bataillon ohne Kampf gefangen genommen. Die erste [Welle] von Eroberern tötete etwa 80 bis 100 Männer, Frauen und Kinder. Die Kinder töteten sie, indem sie mit Stöcken auf die Köpfe schlugen. „Es gab kein Haus ohne Tote“, schrieb Kaplan. Kaplans Informant, der unmittelbar danach in der zweiten Welle ankam, berichtete, dass arabische Männer und Frauen, die übrig geblieben waren, dann in Häusern „ohne Essen oder Wasser“ eingesperrt wurden. Dann kamen Ingenieure, um die Häuser zu sprengen.

Ein Kommandant befahl einem Ingenieur, zwei alte Frauen in ein bestimmtes Haus zu stecken.... und das Haus mit ihnen zusammen zu sprengen. Der Ingenieur weigerte sich... Der Kommandant befahl dann seinen Männern, die alten Frauen ins Haus zu bringen, und sie begingen die Tat. Ein Soldat prahlte, dass er eine Frau vergewaltigt und dann erschossen hatte. Eine Frau, mit einem neugeborenen Baby im Arm wurde eingesetzt, um den Innenhof zu reinigen, in dem die Soldaten aßen. Sie arbeitete ein oder zwei Tage. Am Ende erschossen sie sie und ihr Baby. Kaplans Brief wurde im Februar 2016 vollständig in Haaretz veröffentlicht.[30]

Laut einem Veteranen des 89. Bataillons, Avraham Vered, wussten die jüdischen Kämpfer, die Al-Dawayima angegriffen haben, dass.... das Blut derer, die in Kfar Etzion geschlachtet wurden [31] nach Rache schreit; und dass die Männer von Al-Dawayima zu denjenigen gehörten, die an diesem Massaker teilnahmen. [32]

Vered sagte:

kultivierte Offiziere.... hatten sich in niedrige Mörder verwandelt und das nicht in der Hitze der Schlacht... sondern aus einem System der Vertreibung und Zerstörung. Je weniger Araber blieben, desto besser. Dieses Prinzip ist der politische Motor für die Vertreibungen und Gräueltaten.

Generalleutnant John Bagot Glubb, ein britischer Offizier, der damals in Bethlehem und Hebron mit der jordanischen Arabischen Legion stationiert war, vertrat die Ansicht, dass das Massaker dazu bestimmt war, die Dorfbewohner zu vertreiben. UN-Beobachter berichteten, dass 30 Menschen getötet wurden.

Als sie im Juli 1948 erkannten, dass der Waffenstillstand nicht verlängert werden würde, schlugen die Israelis zwei Tage vor seinem Auslaufen zu. Besser ausgestattet mit neuen Waffen und Kriegsgerät besetzten sie Ramleh und Lydda, die beide von der Generalversammlung der Vereinten Nationen dem Teil des palästinensischen Gebietes zugewiesen worden waren. Die israelischen Streitkräfte vertrieben nun ihre Bewohner (etwa 50.000 bis 70.000) und zwangen sie mit vorgehaltenen Waffen, in Richtung der arabischen Linien zu gehen. Yitzhak Rabin, späterer Premierminister Israels, war Kommandeur der großangelegten Aktion. Dies wurde von Ben-Gurion stillschweigend genehmigt, wie es im Manuskript Yitzhak Rabins für seine Memoiren festgehalten ist. Als er Ben-Gurion fragte, was mit den Bewohnern geschehen solle schrieb Rabin, dass Ben-Gurion nicht gesprochen, sondern nur durch eine entsprechende Handbewegung klar machte sie „zu vertreiben [33]“.

NOTIZEN

[1] Ahron  Bregman, Israel's Wars: A History since 1947 (2002), p. 24 Ben Gurion's Kriegstagebuch

[2] Martin Van Creveld. The Sword And The Olive, p. 77-78

[3] Unter der Rubrik: The Palestinian Jewish War. http://www.jewishvirtuallibrary.org/israel-studies-an-anthology-war-of-1948

[4] Morris, (2003) Histoire revisitée du conflit arabo-sioniste, Editions complexe, p. 240

[5] Dominique Lapierre and Larry Collins, O Jérusalem, Robert Laffont, 1971  pp. 108–109

[6] Benny Morris, 1948: A History of the First Arab-Israeli War, Yale University Press, 2008 p.117

[7] Morris, (2003) Histoire revisitée du conflit arabo-sioniste, Editions complexe, p. 240

[8] Benny Morris, 1948: A History of the First Arab-Israeli War, Yale University Press, 2008 [PAGE NEEDED]

[9]  Pierre Razoux (2006) p.79 und p. 523

[10] Dominique Lapierre et Larry Collins (1971), et pp. 108–109

[11] Meir Zamir "'Bid' for Altalena: France's Covert Action in the 1948 War in Palestine". Middle Eastern Studies. Routledge. 46 (January 2010)

[12] Die französische Regierung sahen hier ihre Chance eine Retourkutsche gegen die Briten für ihre Einmischung in fransözisch-besetzten Syrien in den 30er und 40er Jahren. Französische Hilfe für den neuen jüdischen Staat enthielte

a. die Aussetzung der Waffenverkäufe an Syrien, ungeachtet der unterzeichneten Verträge;

b. Verhinderung eines grossen Waffenverkaufs durch ein Schweizer Unternehmen nach Äthiopien, das eigentlich für Ägypten    und Jordanien bestimmt war;

c. diplomatischer Druck auf Belgien, die Waffenverkäufe an die arabischen Staaten auszusetzen;

d. Ablehnung eines britischen Antrags Ende April, der die Landung einer Staffel britischer Flugzeuge auf dem Weg nach Trans-  jordanien erlaubt; 

e. Genehmigung von Air France zur Beförderung von Fracht nach Tel Aviv am 13. Mai;

f. die Erlaubnis, dass Flugzeuge (die Waffen aus der Tschechoslowakei tragen) auf französischem Territorium landen, während sie nach Israel reisen;

g. diskrete diplomatische Unterstützung Frankreichs für Israel in der UNO;

h. die Aussetzung der Waffenverkäufe an Syrien, ungeachtet der unterzeichneten Verträge;

i. zwei Waffenlieferungen nach "Nicaragua", die eigentlich für Israel bestimmt waren

[13]Avi Shlaim und Eugene Rogan u.a., The War for Palestine, 2. Ausgabe, Cambridge University Press. p 80.

[14]Avi Shlaim, Collusion across the Jordan 1988, Cambridge University Press.

[15]Egypt, a Country Study Library of Congress, 1991, Helen Chapin Metz - Library of Congress. Federal Research Division

[16] Rubrik: The Balance of Power: https://www.jewishvirtuallibrary.org/israel-studies-an-anthology-war-of-1948

[17] Benny Morris 1948 (2008).. p. 185

[18] Avi Shlaim, (1988).

[19] Efraim Karsh, The Arab-Israeli Conflict. The Palestine War 1948, Osprey, , (2002)

[20] Ben-Gurions Korrespondenz  zitiert in dessen 0ffgiziellen Biographe: Bar-Zohar Ben-Gurion, Delacorte Press, 1979    p. 663 in Ben-Gurion Archiv, Korrespondenz 23.02 – 1.03.48 Dokument 59 von 26.02.1948

[21] Morris 2008, pp. 404-06.

[22] Rosemarie Esber, Under the Cover of War: The Zionist Expulsion of the Palestinians Arabicus Books (2008), p. 356

[23] ebed

[24] Saleh Abdel Jawad, Zionist Massacres: the Creation of the Palestinian Refugee Problem in the 1948 War (2007) in E. Benvenisti & al, Israel and the Palestinian Refugees, Berlin, Heidelberg, New-York : Springer, pp. 59-127

[25] Morris 2008, pp. 404-06

[26] Yoav Gelber (2006). Palestine 1948. War, Escape and the Emergence of the Palestinian Refugee Problem. Sussex Academic Press, pp.227-228

[27] ebed

[28] Morris 2008,  pp. 404-06

[29] Das Massaker von Dawaymeh", Vermittlungskommission der Vereinten Nationen für das Technische Komitee Palästina, Vereinte Nationen A/AC.25/Com.Tech/W.3, Der Grund, warum so wenig über dieses Massaker bekannt ist, das in vielerlei Hinsicht brutaler war als das Massaker von Deir Yassin, liegt darin, dass die Arabische Legion (die Armee, die die Kontrolle über dieses Gebiet innehat) befürchtete, dass es, wenn die Nachricht verbreitet werden könnte, die gleiche Wirkung auf die Moral der Bauernschaft haben würde wie Deir Yassin, nämlich einen weiteren Strom von arabischen Flüchtlingen zu verursachen".

[30] Benny Morris, The Birth of the Palestinian Refugee Problem. Cambridge University Press, pp. 469-471 , 2004

[31] Yair Auron, ‘Breaking the Silence after 68 years,(Heb.) Haaretz February 5th 2016

[32] Morris, 2004, pp. 469-47

[33] siehe Israel Bars Rabin From Relating ‘48 Eviction of Arabs, New York Times, https://www.nytimes.com/1979/10/23/archives/israel-bars-rabin-from-relating-48-eviction-of-arabs-sympathy-for.html?scp=5&st=p