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Die arabischen Flüchtlinge
aus Palästina

Ende Juni 1948 veröffentlichte der Geheimdienst der israelischen Streitkräfte einen Bericht mit dem Titel Die Auswanderung der Araber aus Palästina in der Zeit vom 1.12.1947 bis 1.6.1948.

Der Bericht beschreibt 11 Faktoren, die die Massenflucht der Palästinenser verursachten, und listet sie "in der Reihenfolge ihrer Bedeutung" auf. Die ersten sechs sind hier dargestellt:

1.       Direkte, feindliche jüdische Operationen gegen arabische Siedlungen.

2.       Die Auswirkungen unserer feindlichen Operationen gegen benachbarte [arabische] Siedlungen.... (insbesondere der großen Nachbarzentren).

3.       Aktivitäten von Dissidenten [ Irgun, Lechi u.a.]

4.       Verordnungen und Dekrete von arabischen Institutionen und Banden [Freischärlergruppen].

5.       Verbreitung von Gerüchten [Propaganda], durch Yishuv-Mitglieder, die darauf abzielten, die arabischen Bewohner zu verängstigen.

6.       Endgültige Ausweisungsbefehle [durch jüdische Kräfte].

[…]

11. Unterschiedliche lokale Faktoren und generelle Zukunftsangst

Die Analyse des zionistischen, israelischen Historikers Benny Morris und das Originaldokument sind  in The Causes and Character of the Arab Exodus from Palestine: The Israel Defence Forces Intelligence Branch Analysis of June 1948 zu lesen [1].

Dem Bericht des israelischen Militärgeheimdienstes zufolge, wurden die ersten drei Faktoren zusammengenommen als verantwortlich für 70% der Fluchtentscheidung der Palästinenser angesehen.

Die Notizen und Tagebücher führender Militäroffiziere und Politiker der Zeit sind auch eine grundlegende Quelle die nicht in der Ausstellung verwendet wurden.

Darüberhinaus hätte eine vernünftige historische Analyse auch die Recherchen zahlreicher israelischer und anderer Historiker, die die Dokumente der israelischen Streitkräften in den letzten dreißig Jahren analysiert haben, in Betracht gezogen.

 

ETHNISCHE SÄUBERUNG

Auf dieser Tafel ist ein außergewöhnliches schwarzes Loch, denn die Kampagne von Mord, Massakern und Terror, die darauf abzielte, die Städte und Dörfer des Landes von ihren palästinensischen Bewohnern zu „säubern“ wird einfach ignoriert.

Um den Staat Israel zu gründen, griffen zionistische Kräfte große palästinensische Städte an und zerstörten etwa 530 Dörfer. Mehr als 750.000 Einwohner[2] wurden aus ihren Häusern und ihrem Land vertrieben und wurden zu Flüchtlingen - der Höhepunkt der ethnischen Säuberung Palästinas durch die zionistische Bewegung. Heute zählen die Flüchtlinge und ihre Nachkommen mehr als fünf Millionen Menschen. Viele von ihnen leben noch immer in Flüchtlingslagern in den arabischen Nachbarländern und warten auf die Rückkehr in ihre Heimat. (für mehr über den Flüchtlingsstatus der Geflohenen siehe 1948 plus vier Generationen – die Rolle der UNRWA)

 

 „Differenzierte historische Analysen machen fünf Hauptgründe sichtbar“

linke Spalte, oben, unter Die Gründe

Es wäre interessant zu erfahren, um welche Analysen es sich hier handelt. Solch anonyme „Analysen“ erwecken den Verdacht, dass eine postfaktische Verschleierung der tatsächlichen Gründe beabsichtigt ist.

„1. Generelle Angst vor Kriegsgefahren“

Auf der Tafel als ersten Grund für die Flucht der Palästinenser ist „Generelle Angst vor Kriegsgefahren aufgeführt.“ Dieser ist jedoch der allerletzte Punkt (Nummer 11) auf der Haganah-Liste ( „Unterschiedliche lokale Faktoren und generelle Zukunftsangst ”). Tatsächlich war laut dem israelischen Militärgeheimdienst der bedeutsamste Faktor „Direkte, feindliche jüdische Operationen gegen arabische Siedlungen“.

„2.Aufrufe zur Flucht durch arabische Führer“

Nach intensiver Recherche fand der zionistische Historiker, Benny Morris keine Beweise dafür, dass arabische Führer die Araber Palästinas aufforderten, ihre Häuser und Dörfer zu verlassen, noch irgendeine Spur von einer Radio- oder Pressekampagne, die sie zur Flucht auffordert.[3].

Auf jeden Fall, landete dieser Grund nur auf den vierten Platz der Haganah-Liste, d.h. weniger wichtig als:

o   die Auswirkungen unserer feindlichen Operationen gegen benachbarte [arabische] Siedlungen.... (insbesondere der Fall der großen Nachbarzentren) und

o   Aktivitäten von Dissidenten [ Irgun Tzvai Leumi und Lohamei Herut Yisrael].

 

„3. Angstpropaganda“  und 4. „Soziokulturelle Aversion“

Diese beiden „Hauptgründe“ erscheinen überhaupt nicht in der Haganah-Liste. Auf keinen Fall wurde „Propaganda” von der arabischen Seite als Grund erwähnt .

Die Frage bleibt: Wo haben die Verfasser der Ausstellung ihre Information her?

Immerhin, weißt Der 5. Punkt der Haganah-Liste darauf hin, dass Propaganda(für die Zionisten ein wichtiges Werkzeug war „Verbreitung von Gerüchten [Propaganda], durch Yishuv-Mitglieder, die darauf abzielten, die arabischen Bewohner zu verängstigen.“

Die arabisch-sprachige Sendungen und Lautsprecherwagen der Haganah waren äußerst effektiv. Während der Bombadierung von Haifa, zum Besispiel, kündigte das Radio der Haganah an, dass:

„…der Tag des Gerichtes gekommen sei“ .... und rief die Bevölkerung auf, „die Frauen, die Kinder und die Alten sofort zu evakuieren und in einen sicheren Hafen zu bringen“. Zionistische Taktiken in der Schlacht sollten die Opposition lähmen und schnell überwältigen; Demoralisierung war ein vorrangiges Ziel. Sie wurde für das Ergebnis als ebenso wichtig erachtet wie die physische Zerstörung der arabischen Einheiten. … Die Befehle von Carmelis 22. Bataillon waren „jeden [erwachsenen männlichen] Araber zu töten" und mit Brandbomben "alle Ziele anzuzünden, die angezündet werden können[4].“

DAS RÜCKKEHRRECHT

Die außerordentliche Mühe, die sich die Macher dieser Ausstellung geben, um den Besucher mit gefälschten Fakten zu verwirren, ändert nichts an der rechtlichen Forderung, dass die Besatzungsmacht (in deisem Fall die israelischen Streitkräfte) die Rückkehr der Flüchtlinge zulassen muss.

Der erste formelle Schritt zur Anerkennung eines Rückkehrrechts war die Resolution 194 der UN-Generalversammlung vom 11. Dezember 1948, die Folgendes vorsah (Artikel 11):

[Die Resolution] beschließt, dass den Flüchtlingen, die in ihre Heimat zurückkehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, dies zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestattet werden soll und dass für das Eigentum derjenigen, die sich gegen eine Rückkehr entscheiden, sowie für den Verlust oder die Beschädigung von Eigentum, das nach den Grundsätzen des Völkerrechts oder der Billigkeit von den zuständigen Regierungen oder Behörden zu ersetzen ist, Entschädigung gezahlt werden soll.

Die Resolution 3236 der UN-Generalversammlung vom 22. November 1974 erklärte das Recht auf Rückkehr zu einem „unveräußerlichen Recht“.

[Die Resolution] bekräftigt die unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes in Palästina, darunter:    Das Recht auf Selbstbestimmung ohne Einmischung von außen;    das Recht auf nationale Unabhängigkeit und Souveränität;
bekräftigt ferner das unveräußerliche Recht der Palästinenser, in ihre Häuser und ihr Eigentum zurückzukehren, aus denen sie vertrieben und entwurzelt wurden, und fordert ihre Rückkehr;

Zionistische Soldaten töteten hunderte arabische Zivilisten[5] und Kriegsgefangene. Die meisten dieser Morde ereigneten sich, als Dörfer in der zweiten Phase des Kriegs überrannt und eingenommen wurden, wie in Operation Dani, Operation Hiram und Operation Yoav[6], [7].

Zionistische Kräfte waren während des Krieges für vierundzwanzig Massaker verantwortlich. [Rosemarie Esber, Under the Cover of War. The Zionist Expulsion of the Palestinians, Arabicus Books and Media, 2009.] Aryeh Yizthaki bezeugt 10 große Massaker mit jeweils mehr als 50 Opfern[8],[9] Der palästinensische Forscher Salman Abu-Sitta verzeichnet 33, die Hälfte davon während des Kriegs. Saleh Abdel Jawad hat 68 Dörfer aufgelistet, in denen wahllose Tötungen von Gefangenen und Zivilisten stattgefunden haben, in denen keine Bedrohung für jüdische oder israelische Soldaten bestand[10].

Benny Morris schreibt, dass die Haltung der Haganah-Kräfte von „allgemeiner Rachsucht und dem Wunsch der lokalen Befehlshaber, einen zivilen Exodus auszulösen“ geprägt war. [11]

Die Hauptmassaker und Angriffe auf jüdische Zivilisten waren das Massaker der Haifa-Ölraffinerie, bei dem 39 Juden von arabischen Arbeitern getötet wurden, nachdem Irgun-Mitglieder eine Bombe in die Menge geworfen hatten, und das Massaker von Kfar Etzion, bei dem etwa 120-150 Einwohner und Verteidiger von arabischen Guerilliakämpfern getötet wurden, wie einige Berichte von Soldaten der Arabischen Legion zeigen. Ein Angriff auf einen militärisch-medizinischen Konvoi endete mit ca. 80 Toten. Dies geschah 24 Stunden nach dem Massaker in Deir Yassin, etwa drei Kilometer westlich von Jerusalem,  wobei zwischen 100 und 200 Palästinenser getötet wurden.

Der Angriff der Irgun und Lechi Milizen geschah, obwohl ein Abkommen zwischen den palästinensichen Einwohnern und den Zionisten vereinbart worden war. Die Dorfbewohner lehnten deshalb ein Angebot des Hohen Arabischen Komitees ab, Verteidigungskräfte dort zu stationieren. Sie lebten in Frieden neben ihren jüdischen Nachbarn in den umliegenden Dörfern, insbesondere Givat Shaul, einer orthodoxen Gemeinde, auf der anderen Talseite, von denen einige, Berichten zufolge versuchten, den Dorfbewohnern von Deir Yassin während der Irgun-Lehi-Invasion zu helfen.[12]

Die Kämpfe endeten gegen 11:00 Uhr. Jacques de Reynier, Leiter der Delegation des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes in Palästina, besuchte Deir Yassin am 11. April 1948 und stellte „insgesamt mehr als 200 Tote, Männer, Frauen und Kinder [13]“ fest. Morris schrieb auch, dass es Fälle von Verstümmelung und Vergewaltigung gab[14]. Mordechai Ranaan, Bezirkskommandant der Irgun in Jerusalem, gab eine Pressekonferenz in Givat Shaul, bei der er behauptete, 240 Menschen seien getötet worden. Die New York Times berichtete am 13. April 1948, dass 254 Araber bei Deir Yassin getötet wurden [43]. Sharif Kann‘ana von der Bir Zeit University interviewte Überlebende und veröffentlichte 1988 folgende Zahlen: 107 Dorfbewohner starben, 11 von ihnen waren bewaffnet gewesen.[15] Ein Irgun-Kämpfer bezeugte Jahre später, dass Irgun und Lehi-Kämpfer rund 80 Gefangene nach Beendigung des Kampfes getötet hatten[16]. Berichte über das Massaker in Deir Yassin verbreiteten sich rasant und trugen wesentlich zur Fluchtentscheidung von hunderdtausenden von palästinensischen Einwohnern bei. Die Angst vor Massakern war tatsächlich einer der wichtigsten Fluchtgründe.

Während einer Knesset-Debatte einige Monate später, verteidigte der Abgeordnete Yaakov Meridor die Aktion mit folgenden Worten: „Dank Deir Yassin haben wir den Krieg gewonnen, Sir.“ [17]

Das Deir-Yassin-Massaker wurde von Mitgliedstaaten der Arabischen Liga als große Provokation und als Grund für den Angriff im darauffolgenden Monat verstanden.

Sowohl israelische Archive, als auch palästinensische Zeugenaussagen bestätigen, dass in zahlreichen arabischen Dörfern Morde begangen wurden. Laut Benny Morris waren die „schlimmsten Fälle“ das Saliha-Massaker mit 60 bis 70 Toten, das Deir-Yassin-Massaker mit etwa 112, das Lydda-Massaker mit etwa 250 und das Abu-Shusha-Massaker mit 60-70[18].  In Al-Dawayima variieren die Berichte über die Todesrate. Saleh Abd al-Jawad berichtet über 100-200 Opfer[19], Saleh Abd al-Jawad schreibt über einen Bericht des Dorf-Mukhtars in dem geschrieben wurde, dass nach dem Massaker von al-Dawayima 455 Menschen vermisst wurden, darunter 170 Frauen und Kinder.

Abgesehen von den auf den Straßen zurückgelassenen Leichen wurden 150 Leichen allein in einer Zisterne gefunden, darunter Menschen, die entweder enthauptet oder ausgeweidet worden waren[20].

Die New York Times berichtete am 13. April 1948, dass 254 Araber bei Deir Yassin getötet wurden. Sharif Kan'ana von der Bir Zeit University interviewte Überlebende und veröffentlichte 1988 Zahlen: 107 Dorfbewohner waren umgekommen, 11 von ihnen bewaffnet, 12 verwundet[21]. Ein Irgun-Kämpfer bezeugte Jahre später, dass Irgun und Lechi-Männer 80 Gefangene nach Beendigung des Kampfes getötet hatten. Yo’av Gelber ist der Meinung, dass diese Zahl etwas zu hoch ist[22].

Der stellvertretende Generalinspekteur Richard C. Catling von der Strafermittlungsbehörde erhielt schockierende Berichte, die er zwischen dem 13. und 16. April 1948 bei der britischen Regierung einreichte:

Am 14. April um 10 Uhr besuchte ich das Dorf Silwan in Begleitung eines Arztes und einer Krankenschwester des Staatlichen Krankenhauses in Jerusalem und eines Mitglieds des Arabischen Frauenverbandes. Wir haben viele Häuser in diesem Dorf besucht, in denen etwa zwei- bis dreihundert Menschen aus dem Dorf Deir Yasin untergebracht sind. Ich habe viele der Frauen befragt, um einige Informationen über die in Deir Yasin begangenen Gräueltaten zu sammeln, aber die Mehrheit dieser Frauen ist sehr schüchtern und zögert, ihre Erfahrungen, insbesondere in Fragen der sexuellen Gewalt, mitzuteilen, und sie brauchen viel Überredungskunst, bevor sie irgendwelche Informationen preisgeben werden. Die Aufzeichnung von Aussagen wird auch durch den hysterischen Zustand der Frauen behindert, die oft mehrmals zusammenbrechen, während die Aussage aufgezeichnet wird. Es besteht jedoch kein Zweifel daran, dass viele sexuelle Gräueltaten von angreifenden Juden begangen wurden. Viele junge Schulmädchen wurden vergewaltigt und später abgeschlachtet. Auch alte Frauen wurden belästigt. Eine Geschichte ist aktuell über einen Fall, in dem ein junges Mädchen buchstäblich in zwei Teile zerrissen wurde. Viele Säuglinge wurden auch abgeschlachtet und getötet. Ich sah auch eine alte Frau, die ihr Alter als einhundertvier Jahre angab, die von Gewehrkolben schwer um den Kopf geschlagen worden war. Frauen waren Armbänder von den Armen und Ringe von den Fingern gerissen worden und Teile der Ohren einiger Frauen wurden durchtrennt, um Ohrringe zu entfernen[23].

Nach Angaben eines ehemaligen Lehi-Mitglieds band ein Angreifer zwei Araber, am Rücken zusammen und legte eine Stange Dynamit zwischen ihre Köpfe, schoss dann auf das Dynamit und ihre Köpfe explodierten[24].

In Die ethnische Säuberung Palästinas beschreibt Prof. Ilan Pappé von der Exeter University in Großbritannien, die systematischen Vorbereitungen, die den Grundstein legten, für die Vertreibung von mehr als 750.000 Palästinensern, aus dem 1948 zum Staat Israel gewordenen Gebiet. Seine Untersuchung zitiert Details aus israelischen Militärarchiven der Zeit[25].

Während er den Kontext und die diplomatischen und politischen Entwicklungen der Zeit skizziert, hebt er insbesondere ein mehrjähriges Projekt „Village Files“ [Dorf-Dossiers] (1940-47) hervor, die die systematische Zusammenstellung von Karten und Informationen, wie Einwohnerzahl etc. über jedes arabische Dorf belegt. Die Ausarbeitung der Dossiers fand unter der Leitung eines Innenausschusses von weniger als einem Dutzend Männern statt, deren Leiter David Ben-Gurion war. Sie mündeten in die Ausarbeitung einer Reihe von Militärplanungen, die in Plan Dalet gipfelten, nach dem der Krieg von 1948 geführt wurde.

Der Autor plädiert für ein Paradigma der ethnischen Säuberung, das das Paradigma des Krieges als Grundlage für die wissenschaftliche Erforschung und die öffentliche Debatte um 1948 ersetzt[26].

Die Eroberung und Zerstörung der ländlichen arabischen Gebiete wurde im geheimen Plan Dalet beschrieben[27].

Für weitere Details zu den hunderten von Dörfern, die ethnisch gesäubert und zerstört wurden, siehe auch Walid Khalidi, Palestine Reborn, Michael Palubo, The Palestinian Catastrophe: Die Vertreibung eines Volkes aus seiner Heimat 1948, Dan Kurzman, Genesis 1948: Der erste arabisch-israelische Krieg und der zionistische Historiker Benny Morris, der zunächst daran zweifelte, dass Befehle zur Zerstörung von Trümmern erteilt worden waren, entdeckte sie aber später in den Militärarchiven.

Während einer Sitzung des israelischen Kabinetts im September 1948 schlug Ben-Gurion vor, die derzeitige Waffenruhe zu beenden. Als das Kabinettsprotokoll freigegeben wurde, erfuhr man jedoch nichts über seine Gründe. Sie wurden aber 2013 von Tom Segev enthüllt:

Wenn der Krieg ausbricht, können wir dann das gesamte zentrale Galiläa mit einem Schlag räumen. Aber wir können das zentrale Galiläa - also auch die[arabischen] Flüchtlinge - nicht loswerden, ohne dass ein Krieg stattfindet. Galiläa ist voller [arabischer] Bewohner; es ist keine leere Region. Wenn im ganzen Land ein Krieg ausbricht, wäre das für uns in Galiläa von Vorteil, denn ohne große Anstrengungen -  könnten wir gerade genug von der dafür erforderlichen Kraft einsetzen, ohne unsere militärischen Bemühungen in anderen Teilen des Landes zu schwächen – und Galiläa vollständig leeren[28].

Nicht nur die Bevölkerung der Dörfer wurde ethnisch gesäubert. Auch der florierende Hafen Haifa wurde ins Visier genommen, diesmal von der schwer bewaffneten und erfahrenen Haganah Carmeli Brigade. Zu Beginn des Jahres 1948 hatten viele der besser gestellten arabischen Bürger Haifa bereits verlassen und wollten zurückkehren, sobald sich die Situation beruhigt hatte. Doch dies sollte nicht passieren. Als sich die Briten aus ihrer Verantwortung für den Schutz der Zivilbevölkerung zurückzogen, begann die Brigade mit der „Operation Schere“, um Haifa vom arabischen Hinterland zu trennen.

Zu diesem Zeitpunkt wurde die arabische Garnison der palästinensischen Gebiete der Stadt von Kapitän Amin Izz al-Din angeführt, der vom Militärausschuss der Arabischen Befreiungsarmee (ALA) am 27. März in Damaskus ernannt worden war. Im Laufe des nächsten Monats war seine ursprüngliche Truppe von 450 durch Desertation dezimiert worden, bis sie keine Kampftruppe mehr war. Nun begann die Carmeli-Brigade mit der ethnischen Säuberung der verbleibenden 55.000 palästinensischen Einwohner der Stadt. Die Briten kündigten ihren Rückzug am 18. April an (eine Aktion, die später als „eines der schändlichsten Kapitel in der Geschichte des Britischen Empire“ beschrieben wurde:[29]

Die Operation, die mit Scharfschützen, dann mit brennendem Öl und der Detonation von Sprengstofffässern begonnen hatte, wurde intensiviert: Der Offizier der Brigade, Mordechai Maklev, gab klare Befehle: „Töte jeden Araber, den du triffst, fackle alle brennbaren Objekte ab und breche Türen mit Sprengstoff auf“.

Laut dem Bericht der Carmeli-Brigade, der bewusst war, dass die fliehenden Einwohner Haifas angewiesen worden waren, sich vor den Toren des Hafens zu versammeln, waren Mörser auf dem Hügel mit Blick auf die Tore stationiert worden, die dann auf die sich dort versammelnden Zivilisten feuerten. So kostete das daraus resultierende Chaos vielen Menschen das Leben, weil sie zu Tode getrampelt wurden und ertranken, da die überfüllten Boote kenterten.

Ähnliche Szenen wiederholten sich in anderen Städten wie Jaffa, Jerusalem und Tantura und Dörfern wie Deir Yassin. Der zionistische Theoretiker Haim Levenberg räumte ein, dass die Version der Ereignisse im Krieg, die den Yishuv als belagert, zahlenmäßig unterlegen und verzweifelt bezeichnete, nicht durch Fakten bestätigt werden können. Sein Buch beschreibt die schlechte Organisation, das Fehlen einer zentralen Führung, mangelnde Ausbildung und die fehlende zuverlässige Waffenversorgung der Palästinenser. Im Gegensatz dazu, stand die gewaltige Stärke und Organisation der zionistischen Kräfte[30].

Einige Schriftsteller, wie Morris, bezweifelten zunächst, dass die ethnischen Säuberungen sorgfältig geplant worden seien oder, dass militärische Befehle zu ihrer Durchsetzung erteilt worden seien. Er änderte jedoch seine Meinung, als er mit der klaren Sichtweise auf das neu eröffnete Militärarchiv konfrontiert wurde. [MORRIS6] Die klare Richtung der Politik zeigt sich im Tagebuch des (zukünftigen Premierministers) David Ben-Gurion für den 12. Juli 1937 und 20. Juli dieses Jahres.

Wenn es uns nicht gelingt, die Araber aus unserer Mitte zu entfernen, wird es nicht leicht (oder vielleicht überhaupt nicht) zu erreichen sein, nachdem der [jüdische] Staat gegründet wurde, und die Rechte der Minderheiten werden gewährleistet sein, und die ganze Welt wird unser Verhalten gegenüber unseren Minderheiten überprüfen. Die Sache muss jetzt erledigt werden...

Morris dazu:

Das Flüchtlingsproblem wurde durch Angriffe jüdischer Kräfte auf arabische Dörfer und Städte und durch die Angst der Bewohner vor solchen Angriffen verursacht, die durch Vertreibungen, Gräueltaten und Gerüchte über Gräueltaten noch verstärkt wurden - und durch den entscheidenden Beschluss des israelischen Kabinetts vom Juni 1948, die Rückkehr von Flüchtlingen zu verhindern [31].

Basierend auf seinen Studien in 73 israelischen und ausländischen Archiven oder anderen Quellen urteilte Morris über die Hauptursachen für den arabischen Exodus aus jeder der 392 Siedlungen, die während des Konflikts 1948-1950 entvölkert wurden (Seiten xiv bis xviii). In seiner Tabelle sind „arabische Befehle“ als bedeutender „Exodusfaktor“ nur in 6 dieser Siedlungen aufgeführt. [32].

Bereits vor der Deklaration des Staates Israel sind 300.000 bis 350.000 Palästinenser geflohen. Laut dieser Tafel, waren dies „wohlhabende Araber“, Palästinenser kommen nicht vor. Sie werden absichtlich ausschließlich als „Araber“ bezeichnet. Dies ist ein fester Bestandteil der zionistischen Erzählung, die versucht die einheimische palästinensische Bevölkerung als ein Art Fremdkörper in einem Land darzustellen, das nur für Juden bestimmt sei. Abgesehen davon, dass die Verfasser der Ausstellung die Identität der Einwohner nicht anerkennen wollen, ist es auch klar, dass, wenn 300.000 wohlhabende Menschen ihr Hab und Gut zurückgelassen hätten, sie erwarteten, bald zurückkehren zu können. Die Erzähler der Gründung des Staates Israel sind aber nicht in der Lage zu erklären, warum die Flüchtlinge nicht zurückkommen konnten. Der Grund ist klar: Die zionistische Führung wollte dies nicht und verhindert es bis heute.

Die israelische Politik zur Verhinderung der Rückkehr der Flüchtlinge in ihre Heimat wurde von David Ben-Gurion und Yosef Weitz formuliert und im Juni 1948 vom israelischen Kabinett verabschiedet. Im Dezember desselben Jahres verabschiedete die UN-Vollversammlung die Resolution 194, in der beschlossen wurde:

dass den Flüchtlingen, die in ihre Häuser zurückkehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, dies zum frühestmöglichen Zeitpunkt gestattet werden sollte, und dass für das Eigentum derjenigen, die nicht zurückkehren wollen, sowie für den Verlust oder die Beschädigung von Eigentum, das nach den Grundsätzen des Völkerrechts oder der Billigkeit von den verantwortlichen Regierungen oder Behörden zu ersetzen ist, Entschädigung gezahlt werden sollte.

siehe Panele DAS RÜCKKEHRRECHT, oben

Obwohl ein Großteil der internationalen Gemeinschaft, einschließlich des US-Präsidenten Harry Truman, darauf bestand, dass die Rückführung der palästinensischen Flüchtlinge unerlässlich sei, weigerte sich Israel, dies zu tun. Seitdem hat sich Israel konsequent geweigert, seinen Standpunkt zu ändern, und hat weitere Gesetze erlassen, um die palästinensischen Flüchtlinge an der Rückkehr und der Rückforderung ihres Landes und ihres konfiszierten Eigentums zu hindern.

In der Zeit von 1948 bis 1956 gab es zahlreiche Versuche von Palästinensern, die Grenze zu überqueren, was zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen israelischen Grenzsoldaten und Grenzgängern führte. Zwischen 2.700 und 5.000 Palästinenser wurden in dieser Zeit von Israel getötet, die meisten von ihnen waren unbewaffnet und wollten aus wirtschaftlichen oder sozialen Gründen zurückkehren [33].

Yitzhak Pundak, Kommandeur der 6. Brigade, sagte später aus:

Eines Tages wurde ich an die Zentralfront beordert. Im Büro von Generalmajor Zvi Ayalon und in Anwesenheit des Nachrichtenoffiziers Binyamin Jibli wurde mir befohlen, jeden Infiltrator zu liquidieren, dem unsere Truppen begegneten, und zur Abschreckung die Leiche im Feld zu lassen, um ein Exempel zu statuieren. ... Als ich fragte, warum es keinen schriftlichen Befehl gab, betonten der General und der Nachrichtenoffizier, dass sie im Namen des Generalstabschefs sprechen würden. Nach und nach füllten sich die Wege mit aufgeblähten Leichen. ... Der Gestank, der sich in der ganzen Gegend verbreitete, erreichte unsere Außenposten, und die Soldaten begannen unter Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Atembeschwerden zu leiden[34]




NOTIZEN

[1] Benny Morris, The Causes and Character of the Arab Exodus from Palestine: The Israel Defence Forces Intelligence Branch Analysis of June 1948 Middle Eastern Studies Vol. 22, No. 1 (Jan., 1986), pp. 5-19 Taylor & Francis, Ltd. siehe auch: Tafel 24 https://www.jstor.org/stable/4283093?seq=1#page_scan_tab_contents [entnommen 30.10.2018]

[2] manche Historiker schätzen  800,000. Im Juni 1951 gab es 876.000 UNWRA registrierte Flüchtlinge nach Entfernung von Duplikaten und solche, deren Flüchtlingsstatus angefochten wurde.

[3]Benny Morris, The Birth of the Palestinian Refugee Problem, 1947-1949; Cambridge: Cambridge University Press, 1988. Siehe auch: Appendix E in Khalidi, Walid, "Plan Dalet Revisited: Master Plan for the Conquest of Palestine" in 18 no. 1, (Aut. 88): 51–70.

[4] Benny Morris, The Birth of the Palestinian Refugee Problem Revisited. 2004 Cambridge University Press. p. 170.

[5] Yoav Gelber, Palestine 1948, Sussex Academic Press, Brighton, 2006, p. 85

[6] Benny Morris, 1948: A History of the First Arab–Israeli War, Yale University Press, 2008. p 403

[7] Rosemarie Esber, Under the Cover of War. The Zionist Expulsion of the Palestinians, Arabicus Books and Media, 2009.

[8] Esper op.cit. p 356

[9] John Newsinger, British Counterinsurgency,'' Springer 2016 p.6.

[10] JAWAD: Abd al-Jawad, S., 2007), Zionist Massacres: the Creation of the Palestinian Refugee Problem in the 1948 War, in E. Benvenisti & al, Israel and the Palestinian Refugees, Berlin, Heidelberg, New-York : Springer, pp. 59-127

[11] Morris 2008 p 404.

[12] Pa'il, Meir and Isseroff, Ami (1998). "Meir Pail's Eyewitness Account", October 1, 1998.>

[13] Stefan Brooks, 'Deir Yassin Massacre,' in Spencer C. Tucker, Priscilla Roberts (eds.)The Encyclopedia of the Arab-Israeli Conflict: A Political, Social, and Military History, ABC-CLIO, 2008 p.297.

[14] Morris 1987, p. 113.

[15] Kan'ana & Zaytuni 1988, pp. 5, 57. The findings were published in Arabic as the fourthbooklet in the university's "Destroyed Arab Villages" series, part of its Destroyed Palestinian Villages Documentation Project. Yoav Gelber writes that the figures are regarded as authoritative: see Gelber, 2006 p. 311.

[16] Silver, Begin: The Haunted Prophet, p. 93. Statement of Yehoshua Gorodentchik, file 1/10 4-K, Jabotinsky Archives

[17]Segev, Tom: 1949 The first Israelis p. 97

[18] Survival of the Fittest  Interview mit Ari Shavit, https://www.haaretz.com/1.5262454

[19] Abd al-Jawad, S., Zionist Massacres.. op.cit.

[20] ebed.

[21] Yoav Gelber, Palestine 1948, 2006, p. 310.

[22] ebed, p. 308

[23]Dossier No. 179/110/17/GS Archiv der Bodleien Library, Oxford. Zitiert in Larry Collins, Dominique Lapierre O Jerusalem, Simon & Schuster, 2007 p. 276.

[24]Ha'aretz, 25 April 1993, cited in Norman Finkelstein, Image and Reality p. 189. Verso, p189

[25] Pappe, Die ethnische Säuberung Palästinas: Zweitausendeins;  August 2007

[26] ebed.

[27] Sincha Flapan, The Birth of Israel p.87, Pantheon 1988

[28] ebed.

[29] Statement to Parliament by Rees Williams, Undersecretary of State. Hansard, Vol 461 p. 2050, 24 February, 1950

[30] Haim Levenberg The Miltary Preparations of the Arab Community in Palestine, 1945-1948 Psychology Press, London 1993

[31] Benny Morris, Revisiting the Palestinian Exodus of 1948 in TTWFP Rogan/Schlaim p.38 & foll.

[32] Benny Morris, Righteous Victims (New York: Vintage Books, 2001), 256. Siehe auch Benny Morris zum Buch in einem, interview mit Haaretz, 8 Jan 2004.

[33] Benny Morris (1997). Israel's Border Wars, 1949-1956: Arab Infiltration, Israeli Retaliation, and the Countdown to the Suez War. Clarendon Press. p. 432. ISBN 978-0-19-829262-3 foll.

[34] Adam Raz (July 8, 2022). "Revealed: Dozens of Egyptian Commandos Are Buried Under an Israeli Tourist Attraction" (towards the end of the article). Haaretz.